Über das Geistige, das als ästhetische Idee in der bildenden Kunst an der Materie am konkretesten in der Abstraktion erkennbar wird


Das Geistige, das im Denken als Lebendiges zu erfassende Wesenhaft-Ideelle, wird auf ästhetischem Gebiet als Kunst-Idee an der Materie zur Anschauung gebracht.

Es ist in seiner Objektivität von innerer Notwendigkeit gekennzeichnet, innerer Notwendigkeit als Wirksamkeit einer dem Weltall zu Grunde liegenden bedingenden Spannungsstruktur, nämlich der den Weltsinn webend wirkenden Kraft (Logos).

Aufgrund seiner Objektivität ist  das Geistige in der Kunst grundsätzlich für jeden Menschen  erkennend erlebbar, beurteilbar. Sie führt weg sowohl vom zutiefst persönlichen Subjektiven, „Tragischen“, wie Mondrian es nennt, als auch vom unpersönlichen, toten Abstrakten, hin zu einem Überpersönlichen, Lebendig-„Universellen“ (van Doesburg).

„Universell“, indem es sich auf das Uni-versum bezieht, auf das „Ein-Gewendete“ als das gesamte, einzige, eine Gewendete. Bezogen also auch auf die andere, uns verborgene Seite des gewendeten Einen, auf die geistige Seite eines als Physisches Erscheinenden.

„Universell“ weist dadurch auch auf den Ursprung der Menschheit aus dem Geistigen, auf das nämlich, was von ihrer Herkunft zeugend alle eint (ex deo nascimur), in welchem die Menschheit unter allem vergänglichen Persönlich-Willkürlichen im tiefsten Wesen, ihrer Idee, des Ich als Teil des Ich-bin (Logos), über-ein(e)-stimm(e)t  (dieselbe „Sprache“ per spiritum; Pfingstbedeutung).

Dies wird dem heute als Individuum auf sich selbst gestellten Menschen jetzt auf neu zu erringende Weise zugänglich. Sobald er „sich erinnert“. „Alles Erkennen ist ein Sich-Erinnern“ (Plato), ein Wiedererkennen eines Gewussten, nicht bewussten Wissens.

Er-Innern ist ein Sich-zum-Innersten-Kehren, vom Physisch-Äußeren weg zur geistigen Seite der Materie, ein Sich-zum-Ideellen-Wenden.

Das „Universelle“ deutet auf das der zusammenhängenden Gesamtheit zu Grunde liegende Konzeptionelle, Initiierende, sie Entwickelnde, das – auf ästhetischem Gebiet, im Kunstwerk, in kunsteigenen gestalterischen Mitteln – für alle als wiedererkennbar, erinnerbar Erlebbare: das Geistige.

Jede wirkliche, geistige Erkenntnis führt zuletzt zur Gotteserkenntnis. Der Mensch erhebt sich in ihr zu höchstem und letztem Erkennen, das möglich ist und das ihn in wahrhaftem Sinn zum Menschen macht.

Ecce homo – Siehe: Der Mensch. So, wie er ursprünglich und von Anfang an gedacht ist.

Im nicht-deterministischen Sinn als ein sich entwickelndes, schöpferisch schöpfendes Geschöpf.

Das ist der Mensch, der angetreten ist, das Erkennen zu johanneischen Höhen zu bringen, um im Ergreifen der Ideenwelt, die in ihrer ursprünglich lebendigen Urbildlichkeit eine moralische ist, die vorgefundene mit dieser verbindend zu verwandeln, zu versöhnen, womit ihm die Verantwortung eines schöpfenden Wesens zukommt.

Wodurch kann der Mensch das Geistige der Welt im Kunstwerk erkennen?

Uni-versum als Ein-Gewendetes ist auch der Mensch selbst als Mikrokosmos: „Wär` nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt` es nie erblicken; Läg` nicht in uns des Gottes eigene Kraft, wie könnt` uns Göttliches entzücken?“

Goethe spricht hier die konzeptionelle Ebenbildlichkeit des Menschen gegenüber seinem Schöpfungsurgrund an: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild“.

Der Mensch ist in der Lage, sich seinerseits umzuwenden (uni-versus), geistig umzustülpen zum Makrokosmos, um diesen geistig als sein Selbst zu erkennen.

 „Ich bin der Ich-bin. Das ist mein Name auf ewig“ bezeugt eine gemeinsame höhere Identität des Menschen im Geistig-Ideellen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst: als dein Selbst.

Im Erkennen wird innen zur Außenwelt, das Außen wird Innenwelt. Darin liegt das überpersönliche Selbst, das Universelle: das Geistige.

Das Geistige als ästhetische Idee, das als etwas Universelles in der bildenden Kunst Gestalt annimmt, setzt Bilder voraus, die eine andere Ordnung als die der Natur aufweisen. Bilder, die die nur materiell-sinnliche Welt durchbrechen wollen und dadurch „exakt und real werden, dass in ihnen die ästhetische Idee unmittelbar zum Ausdruck kommt“ (van Doesburg).

Universell durch eine „innerlich organisierte Summe“ spezifisch „notwendiger Spannungen“(Kandinsky), die erlebend im Nach-Vollziehen ermessbar, auslotbar ist, gerade weil sie die äußere Naturanschauung überwindet und gerade da, wo sie im objektiv Wirklichen weiterführt.

Durch eine ästhetische Idee, die nicht in der Ordnung eines physisch-naturalistischen Zusammenhanges bildet, aber durch jeden Menschen als etwas Gemeinschaftliches, Objektives erfahrbar ist („alles Erkennen ist ein Sich-Erinnern“), wird ein neuer abstrakter Raum, ein wiederzufindender geistiger Raum geschaffen.

Dieser stellt sich als autonom dar, denn er ist im Bild als pars pro toto vollständig und aufgebaut aus innerbildlicher Folgerichtigkeit, die aufgrund des Grades ihrer  Abstraktion zum Prüfstein für Objektivität wird und somit Ausweis für die Bildqualität ist.

Die im Bild wirksame innere Notwendigkeit ist somit in Gestalt einer ästhetischen  Idee, einer Kunst-Idee an der Materie zum Ausdruck des Geistigen als etwas Willensmäßigem geworden. („Dein Wille geschehe…“, „ ...dass er nützlich und heilsam werde und wirke“)

Das Geistige als Universelles, welches das Dasein bedingt, es bewirkt, es verändert und es sich entwickeln lässt als Sinn webendes, willenhaftes Element, ist aus seinem Ursprung heraus moralische Kraft und drängt als solche in die Verwirklichung, verlangt, materiell schöpferisch geprägt, gestaltet zu werden.

Um der Objektivität der moralischen Kraft als Bildidee gerecht zu werden, kann dem sich unwillkürlich in jedem Bild als erstes von selbst einstellen wollenden naturalistischen Ordnungsprinzip nur in der Abstraktion angemessen entgegengewirkt werden. Andernfalls konfiguriert sich vor unserem Auge von selbst eine physische Außenansicht der Natur.

So betrachtet neigen bei voller Anerkennung seiner Leistung beispielsweise Jackson Pollocks Drippings als Höhepunkt des abstrakten Expressionismus dazu, als dunkles Geäst vor heller Landschaft wahrgenommen zu werden, bleiben bis zu einem bestimmten Grad illusionistisch und können eine von selbst eintretende Naturordnung nicht überwinden. Das die Leinwand abtastende Auge kann nur ein unzureichendes seelisch-geistiges Erlebnis auslösen.

Mit der Vorgehensweise des Dripping im vermeintlich abstrakten Raum können die eigentlich vorhandenen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden, eine tatsächlich ästhetische Idee im Bild zu verwirklichen.

In einem Werk der bildenden Kunst kann ein vollumfänglicher „Klang“ da nicht zum Entstehen gebracht werden, wo nicht eine hoch entwickelte innerliche Organisation von Spannungsstrukturen gepflegt wird, der man seine Farb-und Formwelt unterwirft.

Der Zufall eben als technisches Mittel in der Kunst vereitelt eine wirkliche Komplexität, eine Vollständigkeit, die über das Naturhafte hinausführen und das natürlich Begonnene in einer ideegeleiteten Form vollenden würde.

Von Naturordnung sind wir umgeben, aber der Mensch ist in der Lage, als Individuum durch schließlich selbsttätig hervorbringendes Denken die objektive Idee ästhetisch Bild werden zu lassen. Damit gelingt es ihm, den Zufall überwindend die Ordnung eines geistigen Zusammenhanges ins Werk zu setzen, während der Zufall niemals über den Naturalismus hinauskommt. Dieser bleibt ein nur „physischer“ Blick auf die Welt, während ein Fortschritt darin läge, die Welt jetzt darüberhinaus mit Geistes Augen zu sehen.

„Jedes Kunstwerk erweist, ob der Künstler eine schöpferisch-aktive oder eine nachahmend-abhängige Beziehung zu seinem Vorwurf gehabt hat. Im ersten Fall tritt die Kunst-Idee in die Erscheinung“ (van Doesburg). Eine „nachahmend-abhängige Beziehung“ meint auch diejenige re-produktive Sicht auf die Welt, welche nicht eingreift, wo sich im Bild eine - aus Gründen des Zufalls zwangsläufig - überkommene Naturordnung selbst konfiguriert.

Das Natürliche, „die Erde“ ist der vorbereitende Acker gewesen: „Mein Vater ist der Erdbearbeiter“ (griech. Urtext). Gott-Vater bildet schöpfend die elementare Naturgrundlage für die Erdenmenschheit im Zeitbeginn. Die Erde als Acker ist das Physisch-Naturhafte in seiner Äußerlichkeit, Rückbezüglichkeit und Ausschließlichkeit (Schattenwelt; Platos Höhlengleichnis). Es hat seinen Daseinszweck auch in der bildenden Kunst als ästhetisches Prinzip des Abbildens seiner selbst (Naturalismus) erfüllt. Erfüllt wird er sein, wenn auf dem vormals bereiteten (Natur)-Acker der zur Geist-Reife gebrachte „Erkenntnis-und Lebensbaum“ die Entwicklung fortsetzen wird. Der entwickelte „Erkenntnisbaum“ heißt „...die Wahrheit erkennen“ und erst durch ihn reift das Ich des Menschen sich verzweigend im „Baum des Lebens“ bis zur Krone des Ich-bin=„die Wahrheit und das Leben“. Die darin liegende Objektivität rechtfertigt den Gehalt eines Kunstwerks als etwas Relevantes, denn nur dieser selbst geht den Menschen und die Menschheit als solche an und bedeutet Entwicklung.

Entwicklung nämlich heißt das weiterführende Sohn-„Ich bin der Ich-bin“-Prinzip des: Erkenne Dein Selbst als etwas Universelles, zeitlos Gültiges in der lebendigen Ideenwelt des Geistigen.

Die Geburt des Geistigen in der Kunst wird doch schließlich ermöglicht durch die Autorschaft gerade dieses zentralen Kerns im einzelnen Menschen, dieses Aspektes, des Individuellst-Schöpferischen. Es kommt auf die Autorschaft eben dieses als im Werden begriffenen Ich an, das sich in die Gemeinschaft mit dem höheren Ich-bin, dem Logos hineinentwickelt. „Ich-bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Aus ihrer Gemeinschaft mit dem Stamm entsteht die Frucht. Frucht bringt das reife Ich als Eigentlichstes im Menschen, wo es Teil des Ich-bin ist. So erfolgt durch seine Autorschaft die Geburt des Geistigen in der Kunst, nicht aber durch seine Verleugnung, durch den „Tod des Autors“ (R. Barthes).

Dieses Individuellst-Schöpferische kommt ja erst über das Willkürliche, zufällig Persönliche hinaus zum zeitlos Wirksamen, aus welchem es die Kunst-Idee entwickelt. In seinem Bewusstsein erkennt dann der „Leser“ im Kunstwerk durch selbsttätiges, erinnerndes Neu-Schaffen diese Kunst-Idee als etwas Universell-Geistiges in einer durch den Menschen gefundenen Form. „Das (wirklich exakte) Kunstwerk ist ein Gleichnis des Universums mit künstlerischen Mitteln“ (van Doesburg).

Maßgebend dabei ist die Eigenanstrengung des heutigen Menschen mit dem Bewusstsein, das sich erst jetzt in ihn selbst als Individuum verlagert.

Die sich entwickelnde, in jedem Zeitalter schöpferisch neu zu verwandelnde universelle Kraft  aus innerer Notwendigkeit als Geistiges im Menschenwerk zur Erscheinung zu bringen, schafft die Rückbindung an eine Welt, die dabei ist, uns abhanden zu kommen. In ihr aber liegt die Möglichkeit zur Erkenntnis der unser Dasein durchdringenden Wirklichkeiten des Geistgebietes. Erst aus deren Erkenntnis lässt sich wirklichkeitsgemäß „das Bild“ unserer vollständigen Realität aufbauen, welche, insofern wir uns von ihr einen Begriff machen können, die Bedingungen unseres Fortkommens in sich trägt.