Text 1

Über den Sinn, der sich selbst offenbart in Farb- und Formbeziehungen als solchen

Insofern die Malerei die wesenhaft sinnwirkenden Kräfte aus der Welt aufnimmt und ins Ästhetische verwandelt, wird durch sie selbst geistige Wirklichkeit zur Anschauung gebracht.

Mit dem Begriff „inspirative Abstraktion“ charakterisiere ich einen künstlerischen Ansatz, bei welchem die Konzentration auf Farb- und Formbeziehungen als solchen liegt im Gegensatz zum Ausgangspunkt des „non-relational Painting“. Das non-relational Painting will nichtkompositionell sein, beispielsweise symmetrisch (Minimal Art) oder seriell in der Wiederholung oder Reihung von Gleichem (Serielle Kunst) oder konzeptuell unter Verzicht auf die Ausführung im Material (Konzeptkunst) oder es ist beeinflusst von Weltanschauungen wie etwa solcher, welche alle Dinge in ihrer Bedeutung als nebeneinander gleichwertig betrachten, sozusagen als einen gleichermaßen fortlaufenden „Text“, demzufolge jedwedes Ding Kunstwerk wäre unter irgendeinem noch zu suchenden Aspekt (Bezug zum Strukturalismus).

Von all diesen Gesichtspunkten aus sind die Elemente in einem Bild im eigentlichen Sinn nicht komponiert, sondern sie sind „non-relational“ - beziehungslos - verteilt. Sinn entsteht aber durch Beziehung.


Text 2

Über die ästhetische Idee als das in einer anderen Kategorie erscheinende Gute und über deren gemeinsamen Ursprung im Logos, der durch den Menschen der Gegenwart in seinem höchsten Gewissen (als Teil des Logos) intuitiv aufzufinden ist 

Jetzt weiß ich, dass es einen Gott im Himmel gibt
— Einstein

Der Gehalt eines komponierten Kunstwerkes wird offenbar an der Beziehung seiner Elemente.

Ziel im Schaffen eines „relationalen“ Kompositionswerkes der Kunst ist es, in Formen, Farben oder Tönen aus den unversöhnten, anscheinend unvereinbaren Kräften der Welt eine „Gerechtigkeit“, das heißt, ein Gerichtetsein auf das aus der „Vernunftseele“ (Plato) geschöpfte, ausgleichende Gute zu schaffen.

Dabei werden die verschiedensten Kräfte in ihren Besonderheiten künstlerisch in die Komposition eines individuelle Spannungen tragenden Gleichgewichtes geführt. In der künstlerischen Komposition treten Widersprüche geläutert in einer Form auf, die gegensätzliche Kräfte als Synthese in einer Spannungskonstellation hält. Hier finden diese in einer Ordnung aus innerer Notwendigkeit ihre Aufhebung.

In diesem Ausgleich spiegelt sich im Ästhetischen dasselbe Verhältnis von Spannungen, das in den Kräften lebt, die Weltsinn entfaltend, tätig schaffend das Universum aufbauen (Logos). Dieses Kräfteverhältnis ist dasselbe, das in einer anderen Kategorie, im Moralischen, als Gerechtigkeit (Dikaiosyne) erscheint.


Text 3

Vom Zusammenhang der Abstraktion in der Bildenden Kunst mit der Entwicklung des Denkens im Menschen 

Der Inhalt eines Werkes findet seinen Ausdruck in der Komposition, d.h. in der innerlich organisierten Summe der in diesem Fall notwendigen Spannungen. Diese scheinbar einfache Behauptung hat eine äußerst wichtige prinzipielle Bedeutung: Ihre Anerkennung oder Ablehnung teilt nicht nur die heutigen Künstler, sondern die heutigen Menschen überhaupt in zwei entgegengesetzte Teile: 1. die Menschen, die außer dem Materiellen das Nichtmaterielle oder das Geistige anerkennen und 2. diejenigen, die außer dem Materiellen nichts anerkennen wollen.
— Kandinsky
  • Von der Kindschaft der Menschheit im unbewussten, innerlichen Einssein mit dem „Urbild des Guten in der Ideenwelt“ (Paradies, geistige Welt)
  • über dessen Verlorengehen im sich Entfernen (sog. „Sündenfall“) von diesem Ursprung
  • und dem darauffolgenden Leben in der Maya (Platos „Schattenwelt“, irdisch-materielle Welt),
  • aus dem jetzt von außen wirkenden „Gesetz des Guten“ (Moses empfängt die „Gebote des Guten“ aus der göttlichen Welt und gibt sie der kindlich-unselbstständigen Menschheit zum Befolgen)
  • bis zur Entwicklung eines freien Erkennens im eigenen Denken des einzelnen Individuums
  • und der dort in seinem Gewissen (als Teil des Logos, des Ich-bin) jetzt bewusst zu findenden, selbstständig und individuell hervorzubringenden „Idee des Guten“
  • mit dem Ziel deren Einprägung in die irdische Welt („Schattenwelt“)
  • und der dadurch erfolgenden Verwandlung der materiellen Welt in eine zunehmend geistdurchdrungene („Dein Wille .. wie im Himmel so auf Erden“)
  • durch den einzeln und verantwortlich gewordenen Menschen: In der inneren Notwendigkeit (als Wille erlebbar) einer ästhetischen Idee wirkt das urbildhafte Gute, Gerechte in der bildenden Kunst, das in deren gemeinsamem Ursprung (Logos) durch den zeitgenössischen Menschen in seiner Gewissen-begabten Phantasie intuitiv aufzufinden ist und durch ihn in der Materie Bild wird.

Text 4

Über das Geistige, das als ästhetische Idee in der bildenden Kunst an der Materie am konkretesten in der Abstraktion erkennbar wird

Die sich entwickelnde, in jedem Zeitalter schöpferisch neu zu verwandelnde universelle Kraft aus innerer Notwendigkeit als Geistiges im Menschenwerk zur Erscheinung zu bringen, schafft die Rückbindung an eine Welt, die dabei ist, uns abhanden zu kommen. In ihr aber liegt die Möglichkeit zur Erkenntnis der unser Dasein durchdringenden Wirklichkeiten des Geistgebietes. Erst aus deren Erkenntnis lässt sich wirklichkeitsgemäß „das Bild“ unserer vollständigen Realität aufbauen, welche, insofern wir uns von ihr einen Begriff machen können, die Bedingungen unseres Fortkommens in sich trägt.

Das Geistige, das im Denken als Lebendiges zu erfassende Wesenhaft-Ideelle, wird auf ästhetischem Gebiet als Kunst-Idee an der Materie zur Anschauung gebracht.

Es ist in seiner Objektivität von innerer Notwendigkeit gekennzeichnet, innerer Notwendigkeit als Wirksamkeit einer dem Weltall zu Grunde liegenden bedingenden Spannungsstruktur, nämlich der den Weltsinn webend wirkenden Kraft (Logos).

Aufgrund seiner Objektivität ist  das Geistige in der Kunst grundsätzlich für jeden Menschen  erkennend erlebbar, beurteilbar. Sie führt weg sowohl vom zutiefst persönlichen Subjektiven, „Tragischen“, wie Mondrian es nennt, als auch vom unpersönlichen, toten Abstrakten, hin zu einem Überpersönlichen, Lebendig-„Universellen“ (van Doesburg).

„Universell“, indem es sich auf das Uni-versum bezieht, auf das „Ein-Gewendete“ als das gesamte, einzige, eine Gewendete. Bezogen also auch auf die andere, uns verborgene Seite des gewendeten Einen, auf die geistige Seite eines als Physisches Erscheinenden.