Vom Zusammenhang der Abstraktion in der Bildenden Kunst mit der Entwicklung des Denkens im Menschen
- Von der Kindschaft der Menschheit im unbewussten, innerlichen Einssein mit dem „Urbild des Guten in der Ideenwelt“ (Paradies, geistige Welt)
- über dessen Verlorengehen im sich Entfernen (sog. „Sündenfall“) von diesem Ursprung
- und dem darauffolgenden Leben in der Maya (Platos „Schattenwelt“, irdisch-materielle Welt),
- aus dem jetzt von außen wirkenden „Gesetz des Guten“ (Moses empfängt die „Gebote des Guten“ aus der göttlichen Welt und gibt sie der kindlich-unselbstständigen Menschheit zum Befolgen)
- bis zur Entwicklung eines freien Erkennens im eigenen Denken des einzelnen Individuums
- und der dort in seinem Gewissen (als Teil des Logos, des Ich-bin) jetzt bewusst zu findenden, selbstständig und individuell hervorzubringenden „Idee des Guten“
- mit dem Ziel deren Einprägung in die irdische Welt („Schattenwelt“)
- und der dadurch erfolgenden Verwandlung der materiellen Welt in eine zunehmend geistdurchdrungene („Dein Wille .. wie im Himmel so auf Erden“)
- durch den einzeln und verantwortlich gewordenen Menschen: In der inneren Notwendigkeit (als Wille erlebbar) einer ästhetischen Idee wirkt das urbildhafte Gute, Gerechte in der bildenden Kunst, das in deren gemeinsamem Ursprung (Logos) durch den zeitgenössischen Menschen in seiner Gewissen-begabten Phantasie intuitiv aufzufinden ist und durch ihn in der Materie Bild wird.
In einem Werk der bildenden Kunst wird der ideelle, der geistige Gehalt (Idee) an der Art, wie das Materielle gestaltet wurde, offenbar. Durch den Zusammenklang der materiellen Elemente, die durch die Sinne erlebt werden, tritt er in die Erscheinung.
Als „sinnliches Scheinen der Idee“ charakterisiert Hegel das Schöne.
Das setzt eine Welt der Ideen, eine Welt des Geistigen voraus, deren Gehalt der Mensch am Materiell-Sinnlichen auffinden kann.
Diese wäre eine Ideenwelt etwa in der Art, wie sie schon seit Plato und seit noch älteren Zeiten überliefert ist, in der in ihrer Urbildlichkeit zeitlos die Ideen wesenhaft leben als Inbild ihrer Vollkommenheit, als Inbegriff alles Wahren, als Synonym des Lebendig-Ide(e)alen. Diese Welt beherbergt als höchste Erkenntnis, die in ihr für den Menschen zu erreichen möglich ist, die Idee des schlechthin Guten als erhabenster moralischer Idee. Diese Idee des Guten fasst letztlich alle anderen Ideen in sich zusammen.
Damals nahm man an, dass sich unter der die Zeiten durchwebenden Gerechtigkeit dieses zeit-losen, übergeordneten Guten in Bindung und Fügung mit Notwendigkeit das Schicksal der Welt entspinne.
Von diesem ihrem eigenen geistig-ideellen Ursprung, nämlich der Welt ihrer lebendig-idealen Urbildlichkeit (Paradies), hatte sich die Menschheit im sogenannten Sündenfall abgesondert und sank immer tiefer in die Materie.
Doch der an den Menschen glaubende Gott traut ihm zu, unter den Bedingungen schicksalhaft wirkender Gerechtigkeit auf dem irdischen Läuterungsweg („Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen,…mit Schmerzen Kinder gebären“) aus seiner Kindschaft zum bewussten, eigenständigen Erkennen des die Welt konstituierend durchwirkenden Guten zu gelangen („Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen“). In der Erkenntnis der Wahrheit werde der Mensch einst die Unabhängigkeit finden, das Gute frei zu wollen.
Die Antike sah in der heidnischen Schicksalsgöttin Ananke diejenige, die das Lot errichtend auch im äußeren Kosmos das Räderwerk der Gestirne mit Notwendigkeit in Bewegung hält. Die „Spindel der Ananke“ verbürgt in weisheitsvoller Weltlenkung eine gerechte, gesetzmäßig-konstruktive Ordnung von allem Anfang an.
Aus dem Ursprung einer erhabenen, lenkend leitenden, lebendigen Ideenwelt wurde die Gerechtigkeit abgeleitet aus der Idee des Guten. Gerechtigkeit wurde so zu dem auf unserer irdischen, in Unvollkommenheit geratenen (sogenannte Sündenfall), fehlbaren Welt zur Anwendung gekommenen „Guten“: Gerechtigkeit als Gerichtetsein auf das übergeordnete Gute einer lebendig schaffenden ideellen Ursprungswelt.
So sollte dieses objektiv Gute, als Richtiges erkannt und herausgeführt in unsere irdische Welt, für diese „nützlich und heilsam werden und wirken“ (Plato).
In der Ausgewogenheit der gegenläufigen Kräfte spiegelte sich selbst im äußeren Weltall diese Gerechtigkeit in sinnbildhafter Weise.
Überall dort, wo in den erscheinenden Dingen unter der mit Notwendigkeit ordnenden höchsten Idee dieser Kräfteausgleich im Beziehungsgefüge des Kosmos stattfand, erkannte man die in maßvoller Abwägung lenkende ideelle Kraft des Guten in ihrer Geistigkeit (Weltseele).
Ein willkürlich-freies Spiel der Kräfte (Tohuwabohu; Genesis) wurde durch sie verwandelt vom Ungefähren, Unwägbaren in ein Gerichtetes, Konstruktives, Rechtes und, auf das Moralische bezogen, gerechtes Richtiges.
Insofern ein in sich Schlüssiges, aus sich selbst heraus Bestehen-Könnendes, am Beispiel des Weltalls ein Sich-Selbst-Tragendes entstand, erwies sich dies als gerichtet auf das ausgleichend gewichtende Gute als die in Weisheit formende Kraft (Logos als schaffende Seins-Vernunft).
So charakterisiert z.B. schon bei Pythagoras „die Zahl“, die sein Denken erfüllte, weniger ein begrifflich Abstraktes als eine Auffassung der Welt als eines lebendigen Klangkörpers von hervorbringender, komplexer, gesetzhaft strukturierender, orchestraler Klangfülle. Ihm erschien das Weltgebäude als symphonisches Werk, das ihn den Kosmos auf der „Klaviatur“ der mathematisch-physikalischen Zahlen-Welt als klanghaft empfinden ließ. Darin erlebte er „die Zahl“, wie sie sich im Gesamtwerk zu Bewusstsein brachte, als etwas seiner Bedeutung nach auch in moralischen Kategorien Messbares.
Eine Nachwirkung dieser Empfindung subtiler makrokosmischer Harmonien findet man in der Antike auch im Bereich des Ästhetischen wieder. Den makrokosmischen Harmonien entnahm man, nach und nach nur mehr ahnend, als Weisung für das Bildnerische die „Symmetria“. Diese legte als Kriterium für das Schöne „passende“ Maßverhältnisse der jeweiligen Teile zu Grunde. Nach der als objektiv empfundenen Exaktheit, die in diesen Verhältnissen lag, der „Akribeia“, bemaß sich der Grad der Übereinstimmung mit dem Wahrheitsgehalt, das heißt, mit der Idee des Guten, des Richtigen, weil gerecht gewichtenden Ausgleichs aller Dinge bis in die Einzelteile nach Maß und Zahl.
Diese Richtigkeit, Wahrheit, die als eine nach Maß und Zahl notwendige Stimmigkeit von Pythagoras in einem symphonisch erlebten „Weltklang“ erkannt wurde, fand Aristoteles prinzipiell im Sprachlich-Formalen nachklingend als innewohnende Notwendigkeit in der Logik: „Die Argumente sind zwingend und bindend“.
Goethe entdeckte sie später im Kunstwerk: „Da ist Notwendigkeit, da ist Gott“.
Hier zeigt sich noch dem Prinzip nach ein Empfinden für Notwendigkeit, Folgerichtigkeit im tieferen Zusammenhang, wobei als logisch-klanghaft erlebt wurde, sobald etwas „stimm(t)e“.
Seit dem Altertum entwickelte sich im Menschen immer mehr ein inneres, selbstständiges Erfassen der Seele in der Unterscheidung ihrer selbst als Gegenüber der äußeren Natur. Bevor aber ein selbsttätiges Denken ergriffen werden konnte, musste der Mensch sich erst herausringen aus älteren, mehr seelisch-bildhaften Vorstellungsarten. Dem eigentlichen Denken ging voraus ein eher wahrnehmendes Ablesen von Erkenntnisgedanken aus einer als lebendig erfahrenen Ideenwelt, so beispielsweise aus den Gestirnen des noch seelisch-geistig mit sich als Einheit erlebten Kosmos` („in den Sternen lesen“).
Bald betrachtete der Mensch nicht mehr in Gestirnen, Kosmos, Außenwelt das Wesenhafte, das ideell Wesenhafte, das heißt, die noch als Wesen im mit sich seelisch-geistig verbundenen All erlebten ewigen Ideen.
Er brachte das Beweglich-Bildhafte, das die Ideen als lebendige Ideen-Wesen noch hatten, in feste Gedankenform, kristallisierte das ursprünglich Lebendige, das heißt, sonder-te („Sünden-Fall“) es ab von seinem Ursprung (Platos Höhlengleichnis), um es in zunehmend irdisch-materialisierter Form nur mehr als kognitiven Inhalt in sich und für sich als nunmehr Getrennt-Einzelner in Besitz zu nehmen.
Immer mehr konnte dadurch eine eigenständig hervorbringende, subjektive Denktätigkeit im Inneren des Einzelnen stattfinden, die im singulären, bewussten Ergreifen einer schließlich gemeinsamen, objektiven Ideenwelt - (darin „werdet ihr die Wahrheit erkennen“; Pfingstbedeutung) - durch die letztendlich vollständig auf sich gestellte Einzelseele gipfeln sollte.
Diese einst dem Menschen offenbare objektive Ideenwelt war dem menschlichen Erleben durch den sogenannten Sündenfall zunächst unzugänglich, unerreichbar geworden. Ihrem eigenen Ursprung entfremdet ist sie in der materiellen Welt zu Schatten ihrer selbst, nämlich zu irdischen Gedanken erstarrt (Schattenwelt Platos).
Einzeln, getrennt und individuell bringt hier seitdem der Mensch in sich das Denken zur Höhe. Durch Verlebendigung der für ihn schattenhaft gewordenen Ideenwelt in seinem Selbst versucht er, der Erkenntnis der Idee des Guten in ihrer Eigentlichkeit auf neue, freie Weise würdig zu werden. Er überwindet die kindliche Unbewusstheit seiner geistig-seelischen, ideellen All-Einheit, wie es sie nur vor dem sogenannten Sündenfall geben konnte. Er vollzieht dies indessen als zunehmend sich seiner selbst bewusstes, unabhängig-selbstverantwortliches Individuum, wie es nur nach dem und durch den sogenannten Sündenfall möglich geworden ist. „Im Reich des Erkennbaren wird als Letztes und nur mit Mühe die Idee des Guten sichtbar“ (Plato).
Die Menschenseele entwickelt sich in der Art, dass letztlich in ihr denkend die Wahrheit zustande kommt. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen…“. Frei, indem das Individuum auf seinem Weg zur Menschwerdung über ein animalisches Stadium (“homo homini lupus est“) hinauskommt. Läutert es das Reflexhaft-Willkürliche in sich, so richtet es sich zum sich selbst denkenden, sein Selbst in sich schließlich in vollem Umfang erfassenden Einzelwesen auf. Dann erhebt es sich erst zum eigentlichen Menschen. „Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet“ (Goethe).
Vom paradiesischen Zustand, einem „idee-alen“, gehen die Ideen sinnwirkend aus: wesenhaft lebendig, urbildlich tätig-schaffend aus ihrem Ursprungszustand, einem Quell sprudelnden Ideen-Wortes, das der Logos ist, das schöpfende Wort, das am Anfang war: „Im Urbeginne war das Wort (Logos) und das Wort war bei Gott und ein Gotteswesen war das Wort…durch es sind alle Dinge geworden, und nichts von allem Entstandenen ist anders als durch das Wort geworden“ (Ebenbildlichkeit im Ursprung).
So hat es Johannes, der Evangelist, als einer der Ersten erkannt.
Als Einsichthabender, Eingeweihter den Menschen weit voraus, hat er in hohem Alter auf der Insel Patmos als Zeugnis der höchsten Weltweisheit die „Apokalypse“, nämlich des Menschen eigenen Werdegang, niedergelegt. Sie ist der Gang der sich entwickelnden, frei werdenden Seele des einzelnen Menschen bis zu ihrem Ziel, dem Erkennen der Wahrheit und dem Leben in ihr.
Vorläufig hatte sich aber der Mensch aus dem Zustand, in dem er seinen natürlichen Anteil am geistig-ideellen - ide(e)alen - Leben in der Wahrheit hatte, ausgeschlossen und war in das Materiell-Zeitliche gesunken.
Vom Quell sprudelnd-lebendiger ideeller Ursprungsgemeinschaft hatte der Mensch sich einstweilen entfernt in die Peripherie, den Außenbezirk, wo im Exil des Zeitlichen die ursprünglich lebendigen, zeitlosen Ideenwesen zu Gedankenschatten und schließlich zu tot-abstrakten Alltagsbegriffen irdisch erstarrten (Schattenwelt; Höhlengleichnis Platos).
Aus seinem wesenhaften Urzusammenhang hatte sich der Mensch gelöst und im sogenannten Sündenfall abgesondert, um die Besonderheit eines individuellen Ich durch getrenntes Selbstsein in der Vereinzelung zu erleben.
So entfaltet er an einem Gegenüber in der Bewusstwerdung der Unterscheidung seiner selbst das Denken. Im Denken findet er ein selbstständiges Ich. „Ich denke, also bin ich“ (Descartes).
Auf dem Grund seines Ich liegt das Gewissen.
Das ist der „Ort“, an dem sein Ich Anteil am höheren Ich-bin, am Logos hat, der seit Anbeginn ist und von dem er sich aus dem Geistigen entfernt hat. Dort ist sein Sitz als ein Nicht-Teilbares (In-dividuum), das heißt, als einzigartiges Glied des Urzusammenhanges, als singulärer, einmaliger „Gedanke“ (Idee) Gottes. Das Ich als Eigentlichstes im Menschen hat hier teil, „nimmt hier teil“ am höchsten Gewissen, ist hier rein moralisch als Teil des „Ich-bin“, der der Logos („Sohn“ des Vatergottes: das entwickelnde, weiterführende „Prinzip“ im Menschen) ist, mit dem es hier „ewige“ Gemeinschaft hat. Eine solche „Gemeinschaft“, die ihrem Wesen nach im Ansatz eine Vorstellung davon zulässt, was mit dem Begriff „Auferstehung“ eigentlich gemeint ist. Das ist der „Ort“, der nicht dem Tod unterliegt, an dem die Menschheit die Wahrheit erkennen kann, dieselbe „Sprache“ hat (Pfingstbedeutung) und zwar vor und nach dem eigenen leiblichen Tod. Denn dieser geistige „Ort“ ist und wird der Menschheit heute immer mehr zugänglich, sobald er nämlich zur Bewusstheit entwickelt ist, der „zeitlose Ort“ seines Ich.
Wo sein Wesenskern, sein Ich als ureigenster Bestandteil des „Ich-bin“ im Ewigen, im Zeit-losen, im Zeit-Überwindenden urständet, findet der Mensch im höchsten Gewissen die Idee des Guten in ihrer Urbildlichkeit wieder. Aufgrund der Unabhängigkeit seines Ich wird er fähig, das Gute, das Richtige frei zu wollen, das heißt, das im Blick auf die Weltentwicklung als Ganze Lebenfördernde („ ... heilsam wirke“; Plato) aus Liebe frei zu wollen.
Die (zeitlos) lebende Idee des Guten als höchstes wiederzuerlangendes Ideal fasst letztlich alle Ideen in sich, hebt sie als Synthese in sich auf. Sie, die in ihrem Ursprungswillen als Geistiges wesenhaft wirkt und Eigentlich ist, wird dem Menschen jedoch erst nach und nach - „als Letztes und mit Mühe“ (Plato) – neu, das heißt, als einem schließlich Freien erreichbar. Dies wird möglich durch das zur Höhe gebrachte, im Menschen als solchem, in seinem Individuellsten entwickelte Denken. Das ist ein in der Intuition frei gewordenes Denken einer aufgrund ihrer Vereinzelung erwachsen gewordenen Menschheit.
So erklärt sich Platos kunstkritische Philosophie daraus, dass er im 4./ 5. vorchristlichen Jahrhundert noch mit einer unmündigen Menschheit rechnete.
Die Vorstellung einer „inspirativen Abstraktion“ in der Kunst, in der das auf dem Grund wirkende wesenhaft Ideelle der Welt, das Geistige, durch eine ihm innewohnende Notwendigkeit künstlerisch an der Materie offenbar werden kann, wurde erst eine Errungenschaft des heute frei werdenden Denkens. Dieses führt allmählich mehr und mehr das Objektive in subjektiver Art aus der Ideenwelt in die Materie und macht so das Geistige in ihr anschaubar.
Dass Plato den Abbildungsaspekt der Kunst, die Mimesis, also die Nachahmung des an sich schon Nachgebildeten ablehnte, ist daher nur folgerichtig. Denn die sich von ihrer Urbildlichkeit in die Peripherie entfernt habende Natur erkannte er in ihrer naturalistischen Außenseite, in ihrer äußersten Äußerlichkeit als Illusion (Maya), als schattenhaft verfremdete Nachbildung ihrer ursprünglichen Idee.
In der bildenden Kunst kann erst in der Abstraktion eindeutig das Geistige durch seinen innerlich notwendig (Not abwendend, da in Harmonie bringend = heilend) ordnenden, tätigen Willen künstlerisch an der Materie sinnlich sichtbar werden. Dies geschieht dann nämlich, wenn das Ureigenste im Menschen, das Ich als Teil des Ich-bin, diesen Willen, der im objektiv Gültigen einer gemeinsamen Ideenwelt liegt, selbst und in subjektiver Entscheidung im Bild verwirklicht.
Beim Formulieren einer ästhetischen Bildwelt gestaltet heute der zur Bewusstheit kommende Mensch frei, in originärer Weise, einen innerlich notwendig organisierten Mikrokosmos. Dabei hat er die diesem innewohnende, objektiv zu erlebende Notwendigkeit in seiner ureigenen Art zur Anschauung gebracht. Das heißt, er hat aus einem unverwechselbaren, nicht austauschbaren Blickwinkel etwas Objektives in eine, in seiner Art daher einzige, physische Daseinsform überführt und der Materie eingeprägt.
Von einer gemeinsamen Welt des Geistigen, derselben „Sprache“ (Pfingstbedeutung) als per-sona durchtönt könnte es uns immer mehr gelingen, von unserer äußeren, elementarsten Naturgrundlage als unserer „Erstausstattung“ (Tierwelt in uns) frei zu werden.
Wir sind als Menschheit, wenngleich nicht ohne Humor, zur freien Verantwortung herangereift. Als ein Selbst Dastehendes könnten wir die auf neue, das heißt, jetzt freie Weise schließlich zu findende „Idee des Guten“ als unsere eigene, von unserem Selbst ausgehende Gerechtigkeit der Welt einprägen. Derjenigen Welt nämlich, die entfremdet einer lebendig wirksam-schaffenden, wahrnehmbar-hörbaren Ideenwesenwelt gegenübersteht, um auf diese uns umgebende, äußere, schattenhaft gewordene Welt „nützlich und heilsam zu wirken“ (Plato).
So könnte die auf neue Weise zurückzuerobernde Idee des Guten als die formende Kraft in der Welt, wenn sie auf den jeweiligen Lebensgebieten in authentischer, ureigen-freier Art bildet, die entfremdete Natur aus ihrer Sonderung (sogenannte „Sünden-Fall“) lösen.
Das könnte gelingen, wenn „die Idee“ die Welt inspirativ – notabwendend – in eine Form verändert, in welche diese ihrer initiierenden, sich entwickelnden, sich letztlich heilend auswirkenden Ursprungsidee nach potenziell verwandelt werden kann.
Indem wir Menschen als Naturwesen Teil der Gattung sind, unterliegen wir in unserer physischen Materialität den Naturgesetzen. Diese binden uns gegen unseren Willen und wir finden sie vor.
Im Kern unserer Vereinzelung dagegen sind wir moralische Wesen. „Ich“ bin also durch Individuation als Mensch verantwortlich geworden, denn als „Ich“ bin ich derjenige, durch welchen die moralischen Gesetze erst geschaffen werden. Dazu schöpfe ich durch die Originalität meines Wesenskerns mit Gewissen-begabter Phantasie intuitiv aus der objektiven, gemeinsamen Welt der lebenden Ideen. Mit dieser hänge ich ja gerade in meinem höchsten Gewissen, das frei ist von gesellschaftlichen Normen, zusammen. So erfinde ich selbst in jeder Situation immer wieder das entsprechende moralische „Gesetz“ neu.
Ebenso suche ich in der Kunst nicht etwa als Naturwesen die ästhetischen Lösungen, nicht als Teil der Gattung, der Gleichheit im Naturhaften, sondern als Individuum, als Getrennt-Einzelner, dabei unteilbarer Bestandteil dieser ursprünglichen, objektiven, mit innerer Notwendigkeit sich bedingend entfaltenden, einenden Ideenwelt. Darin erkenne ich Möglichkeiten, die ich künstlerisch herausformuliere, das heißt, in einziger Weise, da ich als Unteilbares zugleich Teilaspekt des Ganzen als auch Teilaspizient, ein angeschaut Erkannter wie ein erkennend Erblickender bin. „Er erkannte sein Weib und sie ward schwanger“ (anschauen, erkennen = befruchten, zeugen). So ist das Erzeugnis das Erkannte und dann verwandelt auf die Welt Angewandte, auf dass es in ihr „nützlich und heilsam werde und wirke“ (Plato).
Es ist dann als „Geistiges in der Kunst“ (Kandinsky) in ideell-lebendiger Weise ästhetisch erlebbar und zwar an der materiellen, an der physisch-sinnlichen Welt. In ihr wird das Geistige zum sinnlichen Sein der Idee (vgl. Hegel), da es heute die Voraussetzungen findet, in der Abstraktion denkbar konkret in seiner Daseinsform zu werden.
Hegels ursprünglicher, nämlich platonischer Betrachtungsweise nach als schlichtes Aufleuchten, Scheinen der Idee an der irdischen Wirklichkeit gemeint, wird das Geistige hier, der aristotelischen Sichtweise näher, als tatsächliche Einarbeitung der objektiven Idee in die Materie selbst durch den subjektiven Einzelnen verstanden, als Verwandlung der Materie und somit der irdischen Wirklichkeit durch die Idee. In der Abstraktion ist das Scheinen zum „Sein“ der Idee im Sinnlichen geworden.