Über den Sinn, der sich selbst offenbart in Farb- und Formbeziehungen als solchen


Mit dem Begriff „inspirative Abstraktion“ charakterisiere ich einen künstlerischen Ansatz, bei welchem die Konzentration auf Farb- und Formbeziehungen als solchen liegt im Gegensatz zum Ausgangspunkt des „non-relational Painting“. Das non-relational Painting will nichtkompositionell sein, beispielsweise symmetrisch (Minimal Art) oder seriell in der Wiederholung oder Reihung von Gleichem (Serielle Kunst) oder konzeptuell unter Verzicht auf die Ausführung im Material (Konzeptkunst) oder es ist beeinflusst von Weltanschauungen wie etwa solcher, welche alle Dinge in ihrer Bedeutung als nebeneinander gleichwertig betrachten, sozusagen als einen gleichermaßen fortlaufenden „Text“, demzufolge jedwedes Ding Kunstwerk wäre unter irgendeinem noch zu suchenden Aspekt (Bezug zum Strukturalismus).

Von all diesen Gesichtspunkten aus sind die Elemente in einem Bild im eigentlichen Sinn nicht komponiert, sondern sie sind „non-relational“ - beziehungslos - verteilt. Sinn entsteht aber durch Beziehung.

Aufgrund der Auswahl solcher Gestaltungselemente, die nicht der menschliche Geist formt, sondern vorfindet, kommt eine äußerliche, naturalistische Sicht auf die Dinge der Welt zum Ausdruck.  

Die Betrachtungsweise der Welt lässt sich aber erweitern und über den naturalistischen Blick hinausentwickeln in Gebiete, die noch viel tiefer erschlossen werden können, bis sich der Anschauung im Kunstwerk das tatsächlich objektive, geistige Prinzip beziehungsvollen, eingliedernden Ineinanders der bewegten Vielheit innerer Weltkräfte offenbart.

In der Art seiner Beziehungen liegt schließlich das Qualitätsmerkmal, das, bildlich gesprochen, einen „Organismus“ von einem ungegliederten Ungestalten unterscheidet.  So liegt zum Beispiel auch ein Fortschritt darin, von einem reflexhaft geäußerten, unartikulierten Urlaut zur Ausführung eines differenzierten, ausgestalteten Gedankens innerhalb eines hochentwickelten Organismus` aufzusteigen. So schafft auch das Schöpfungswort im Stoff aus dem Chaos, dem „Tohuwabohu“ (Genesis) erst ein Sinngebilde. Das Schöpfungswort selbst ist seinem Wesen nach Inbegriff, Inbild wirkender Sinnhaftigkeit und Seins-Vernunft (Logos). Es liegt unserer Welt von Alpha bis Omega zu Grunde als fortschreitend sich entwickelndes Konzept, das in die Ausgestaltung drängt. Dabei baut es die Welt - sie aus ihrem geistigen Ursprung, dem schlechthin Moralischen (Gott) entfaltend - strukturell auf.

Als der “Klang“ des schöpferischen „Wortes“ „tönt“ die in der Welt zutiefst sinnhaft sich darlebende, aus dem Moralischen schaffende, formbildende Kraft.

Im Hinblick darauf kommt der Form und der Farbe insofern größte Bedeutung zu, als in ihren Beziehungen das Potenzial liegt,  diesen „Klang“ in den Stoff der Erde hereinzubringen, ihn in der Materie zu „inkarnieren“. Darin liegt aus meiner Sicht in Zukunft die Aufgabe der bildenden Kunst.

Dagegen non-relational ist zum Beispiel das „Urinoir“ Marcel Duchamps als des Urhebers der Idee der Inthronisierung des Beliebigen, des ununterschieden Alltäglichen. Dieses steht jedoch nicht in Zusammenhang mit dem Wesen-tlichen der Welt. Deshalb hat seine Idee nur einmal Gültigkeit. Das heißt, die Behauptung der Gleichrangigkeit aller Dinge in ihrer Bedeutung, - sei es das zu Kunst hochorganisierend gestaltete Werk oder das zu Kunst erklärte Urinoir -, trägt, sobald zum künstlerischen Prinzip erhoben, nach dem einmaligen Kulturschock nicht zu weiterer Erkenntnis bei. Es verhält sich dabei ähnlich wie bei einem Witz, dem beim wiederholten Hören ebenfalls die Wirkung versagt bleibt.

In der Kunst aber, die nicht konzeptionell bleiben will, die ein „Non-relational“ überwinden und Beziehung herstellen will, kommt es darauf an, dem Stoff ein Sinngebilde, das jenseits von Umdeutung, Verneinung und Ironie liegt, künstlerisch tatsächlich einzuprägen und somit das in der Welt Sinn bewirkend Gedankliche in der Tat mit der Materie zu verbinden, Geist und Materie durch Formfindung zusammenzuführen.

In meinen hier vorliegenden Bildern habe ich sich selbst tragende farbige Orte gesucht und definiert, die sich innerhalb einer hochkomplexen Struktur aus deren speziellem Rhythmus heraus am Ende in einem innerlich organisierten Spannungsverhältnis aus sich selbst heraus halten.

Die widerstrebenden und sich vereinigenden Kräfte erschaffen in jedem Bild eine von vorgefasstem Schematismus freie, in jedem Fall neu gefundene, in sich autonome Farbformenwelt. Diese trägt sich dann durch die ihren Elementen innewohnenden Bedingungen selbst.

Dieses Phänomen erkannte schon Kandinsky („Das Geistige in der Kunst“) als „innere Notwendigkeit“, in der er sich entfaltende wesen-tliche, objektive Kräfte gestaltend ins Werk gesetzt, am Werk sah. Es sind die  Kräfte, die dem Universum zu Grunde liegen, es als Sinngebilde entwickelnd aufbauen, indem sie in Seins-Vernunft (Logos) klanghaft-beziehungsvoll den Weltsinn wirken. Es ist diejenige Kraft im Weltall, die, notwendig ordnend, sich letztendlich heilend äußert. Da sie aus einer „inneren Notwendigkeit“ ordnet, d.h. im Inneren des Universums Not abwendend ordnet, schafft sie innerlich den Zusammen-Klang. Der dadurch entstehende vielstimmige „Klang“, lebendig aufgenommen, wird dann in eine „inspirative“ Abstraktion geführt. Die darin sichtbare innewohnende Notwendigkeit wird zum Kriterium, zum Merkmal für etwas in Wahrheit Wirkendes. Aus diesem in Wahrheit Wirkenden ist nach meiner Auffassung Raum und Zeit hervorgegengen.

Goethe bemerkte angesichts eines Werkes der bildenden Kunst: „Da ist Notwendigkeit, da ist Gott.“ (Gott = Heiland = heilend = ordnend in innerer Notwendigkeit)

In dieser inneren Notwendigkeit offenbarte sich für Kandinsky an der Materie „das Geistige in der Kunst“.

Es ist dasselbe, das Mondrian und van Doesburg als „Universelles“ charakterisierten, was nämlich im Bereich des Ästhetischen in einer Summe innerlich organisierter, sich aufeinander beziehender Spannungen besteht, deren Art der Organisation in die Erscheinung bringt, mit welchen Kräften „die Welt im Innersten“, in ihrem Wesen-tlichen, „zusammenhält“. (Faust)

Das Unwesentliche hingegen findet seinen Ausdruck in der als zufällig auftretenden Anordnung des vordergründigen, natürlichen Außenraumes. Dass er beliebig, unwesentlich erscheint, hat seine Ursache in der Entfremdung (sogenannter Sündenfall) der uns umgebenden Natur von ihrem Ursprung (Platos Höhlengleichnis) als einem geistigen Klang, schöpferischen Wort (Logos), sinnvoll in Wahrheit zusammenwirkenden Wesenhaften.

Diese Entfremdung lässt uns die Natur - Raum und Zeit  - als Illusion (Maya) für wahr nehmen. Die darin erscheinende Willkür der gegenständlichen Naturformen lässt das Auffinden einer in ihrem Kern und Wesen gründenden, als klangvoll-schöpfend zu erlebenden inneren Notwendigkeit nicht zu.

Insofern die Malerei die wesenhaft sinnwirkenden Kräfte aus der Welt aufnimmt und ins Ästhetische verwandelt, wird durch sie selbst geistige Wirklichkeit zur Anschauung gebracht.

„Zum Raum wird hier die Zeit“. (Parzival)

Sich dem zeitlos Geistigen anzunähern, wird so durch die Kunst ermöglicht.

In einer inspirativen Abstraktion ist Zeit so in Raum gefasst, dass sie durch die Art ihres Verwobenseins in Ordnungen räumlicher Rhythmen selbst in ihnen aufgeht. Denn Zeit in Gestalt einer schöpferisch-schaffenden Raumdurchdringung hebt sich in der räumlichen Ausdehnung aus sich selbst heraus auf.